Dem Milchpilz auf der Spur (Teil 1)

Birgit Burger von Waldner zeigt das historische Orderbuch für Milchpilze. Foto: Janina Schütz
Birgit Burger von Waldner zeigt das historische Orderbuch für Milchpilze. Foto: Janina Schütz

Bei vielen Menschen weckt er Kindheitserinnerungen: Der Milchpilz oder auch Pilzkiosk. In den 1950er Jahren wurden insgesamt 49 der kultigen Kioske deutschlandweit ausgeliefert. Doch wer hat sie eigentlich vertrieben? Und wie viele der Pilze gibt es bis heute noch? In einer kleinen Serie möchte ich diesem Phänomen auf die Spur gehen. Der erste Teil dreht sich um die Entstehung der Idee im Familienunternehmen Waldner. Dort hat mir Birgit Burger netter Weise viele meiner Fragen beantwortet und daneben auch noch Model gestanden.

Vier Meter hoch und zwei Meter breit, mit einem hölzernen Grundgerüst und dem signifikanten konischen Dach, das mit Ballonplane bespannt war: Der Milchpilz war eine Art Miniatur-Milchbar mit hohem Wiedererkennungswert. Hergestellt wurden die Pilze von der Firma Waldner aus Wangen im Allgäu. Heutzutage eher bekannt für Laboreinrichtungen, war das ursprüngliche Standbein des Familienunternehmens die Milchwirtschaft.

Milch war nach dem zweiten Weltkrieg ein kostbares und zudem sehr beliebtes Gut. In Deutschland gab es zahlreiche Milchbars, die Waldner vom Mobiliar bis zum Kühlschrank, der Eismaschine oder gar dem Joghurtlöffel ausstattete. Florierte der Milchverkauf, war die Geschäftslage auch für Waldner gut. Ein Grund, den Verkauf von Milch zu fördern. Anton Waldner, Sohn des Firmengründers galt als unerschöpflicher Ideenproduzent und Organisationstalent. Mit der trickreichen Marketing-Idee für den Milchpilz war er seiner Zeit weit voraus. Denn von Corporate Design hatte damals noch niemand gehört.

Birgit Burger von Waldner Laboreinrichtungen. Foto: Janina Schütz
Birgit Burger von Waldner Laboreinrichtungen. Foto: Janina Schütz

Die Pilzform schuf ein auffälliges und einprägsames Erscheinungsbild mit hohem Signalcharakter und begeisterte zahlreiche Menschen. Doch nicht überall sorgten die Milchpilze für Entzückung: Die Württembergische Landesstelle für Naturschutz und Landschaftspflege in Ludwigsburg befand den Milchpilz in einem Brief vom 12.08.1952 beispielsweise für „geschmacklose Reklame, die besser nach Amerika passen würde“.

Warum Anton Waldner zur Vermarktung ausgerechnet auf einen Fliegenpilz kam, ist unklar. Der erste Pilz ging am 13.05.1952 nach Lindau – er ist noch heute in Betrieb. Der Preis für einen Milchpilz war damals vergleichbar mit dem für einen VW Käfer. Eine recht hohe Investition also, die die Betreiber zunächst tätigen mussten.

Bei Waldner steht er übrigens heute noch einmal im Jahr im Mittelpunkt: Bei der Weihnachtsfeier ist der Milchpilz als Sektbar umfunktioniert Dreh- und Angelpunkt der Veranstaltung. Verwendet wird dafür ein für eine ausstellung vor wenigen Jahren original nachgebauter Pilz.

Früher wurden in den insgesamt 49 ausgelieferten Milchpilzen traditionell Milch, Milchshakes und Softeis verkauft. Doch wie sieht es heute aus? Sechs der Pilze sind noch immer in Betrieb. Was aus ihnen geworden ist, versuche ich in den weiteren Teilen dieser kleinen Serie zu beleuchten.

PS: Sogar auf Facebook hat es der Milchpilz geschafft!!!


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